Der piezoelektrische Effekt
Der Piezo-Effekt wurde im Jahr 1880 von den Brüdern Jacques und Pierre Curie entdeckt.
Bei Experimenten mit Turmalinkristallen fanden sie heraus, dass auf den Oberflächen elektrische Ladungen erscheinen, wenn der Kristall mechanisch verformt wird. Die Grösse der elektrischen Ladung war genau proportional zu der aufgebrachten Last.
Wenn ein piezoelektrisches Material mechanisch verformt wird, verschieben sich die elektrischen Ladungen, in den Elementarzellen, und bilden ein elektrisches Feld über den gesamten Körper. Die so erzeugte Ladung kann auf den entsprechenden Oberflächen des piezoelektrischen Körpers aufgefangen werden. Dies nennt man den direkten Piezoeffekt.
Der Piezo-Effekt ist auch umkehrbar. Wenn wir eine Spannung an die selben Flächen anlegen, verformt sich der piezoelektrische Körper auf entsprechende Weise. Dieses Phänomen wird als umgekehrter (oder inverser) Piezoeffekt bezeichnet.
Wir merken uns:
-
Piezoelektrische Materialien sind extrem empfindlich gegenüber mechanischer Deformation.
-
Das Verhältnis zwischen Ladungsausgang und Eingangskraft ist streng linear (die Ladung folgt genau der Kraft).
-
Die Ladung wird durch Deformation des piezoelektrischen Körpers erzeugt, diese Deformation ist jedoch äusserst klein.
-
Die meisten Piezomaterialien sind relativ starr und in vielen Fällen etwa mit Aluminium vergleichbar.
Piezoelektrische Kristalle
Wenn wir von piezoelektrischen Kristallen sprechen, meinen wir normalerweise einen Einkristall. D.h. ein Körper, der aus nur einem einzigen durchgehenden Kristall besteht.
Der wohl berühmteste piezoelektrische Kristall ist der Quarz. Quarz kommt in der Natur vor, aber für technische Anwendungen wird er normalerweise künstlich hergestellt.
Natürlicher Quarz
Chemisch gesehen besteht der Quarz aus Silizium (Si) und Sauerstoff (O).
Die Anordnung von Silizium und Sauerstoff erfolgt in Form eines sogenannten Tetraeders, wie im Bild gezeigt.
Die Sauerstoffatome bilden ein Tetraeder um jedes Siliziumatom, das heisst, dass jedes Silizium von vier Sauerstoffatomen umgeben ist.
Sauerstoff O
Silizium Si
Silizium-Sauerstoff Tetraeder
(Die Größe der Atome ist nicht masstabsgetreu)
Die Struktur eines Quarzkristalls ist hochkomplex. Das Bild gibt einen Eindruck davon, wie es im Inneren eines Quarzes aussehen würde, wenn wir die Si-O-Tetraeder sichtbar machen könnten.
Vor dieser Komplexität brauchen wir uns jedoch nicht zu fürchten. Stattdessen kehren wir zum grundlegenden und einfachen Tetraeder zurück
Struktur von Quarz mit Silizium-Sauerstoff Tetraedern
Das Silizium und der Sauerstoff tragen eine elektrische Ladung. Die Sauerstoffatome sind negativ und das Silizium ist positiv geladen. In der Abbildung sind die jeweiligen Ladungen in blau (-) und rot (+) dargestellt.
Wenn ein solches Tetraederelement mechanisch verformt wird, verschiebt sich die positive Ladung des Siliziums nach unten, so dass der Tetraeder unten eher positiv und oben negativer wird.
( Fahre mit dem Mauszeiger über das Bild, um eine vertikale Last aufzubringen).
Dieses Bild zeigt ein vereinfachtes Modell der Quarzstruktur. Jeder Punkt stellt ein Tetraeder dar, die in Sechsecken angeordnet sind. In Wirklichkeit ist die Situation, wie wir gesehen haben, weitaus komplexer.
Obwohl die reale Anordnung der Tetraeder etwas anders ist, werden bei einer vertikalen Belastung die zentralen Si-Atome aller Tetraeder nach unten geschoben. Die Si-O-Einheiten erzeugen alle eine elektrische Ladung in der gleichen Richtung, mit dem Ergebnis, dass an der Ober- und Unterseite des Körpers eine Gesamtladung resultiert.
Vereinfachtes Modell einer Quarzstruktur, das die Ladungsverteilung zeigt. Blau (-) rot (+).
Beachte, dass die rosa Farbe auf die Überschneidung von Blau und Rot zurückzuführen ist.
Änderung des elektrischen Dipolmoments durch mechanische Deformation
Piezoelektrische Keramik
Eine weitere Gruppe von piezoelektrischen Materialien sind die Piezokeramiken.
Alle Piezokeramiken sind künstlich hergestellt. Eines der weltweit am häufigsten verwendeten piezoelektrischen Keramikmaterials ist Blei-Zirkonat-Titanat oder PZT.
PZT ist eine Mischung aus Blei-Zirkonat und Blei-Titanat.
Das Material ist kein Einkristall, sondern ein Konglomerat aus kleinen Kristallen oder Kristalliten. Die Grundeinheit eines solchen Kristallits ist ein Würfel, mit Blei- (Pb) Atomen in den Ecken und Sauerstoff- (O) Atomen in der Mitte jeder Fläche. Im Inneren dieser Struktur finden wir ein kleineres Atom, entweder Titan (Ti) oder Zirkonium (Zr).
Über den Temperaturbereich kann diese Struktur zwei leicht unterschiedliche Zustände annehmen. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, der sogenannten Curie-Temperatur, ist die Kristallstruktur ein einfacher Würfel. Er ist vollkommen symmetrisch und nicht piezoelektrisch
Pb ²⁺
Ti ⁴⁺ oder Zr ⁴⁺
Ö ²⁻
Oberhalb des Curie-Punktes:
Kubische Struktur mit symmetrischer Anordnung von positiven und negativen Ladungen.
Nicht piezoelektrisch.
Wenn der Kristall jedoch unter die Curie-Temperatur abgekühlt wird, wird der Kristallwürfel ein wenig in eine Richtung gedehnt und das Ti oder Zr-Atom aus dem Zentrum herausgepresst. Dies geschieht von selbst und wird als spontane Polarisation bezeichnet. Nun erkennen wir eine ähnliche Struktur, wie wir sie beim Quarz hatten. Das Ti- oder Zr-Atom hat in der Tat eine starke positive Ladung, während die Sauerstoffatome negativ geladen sind. Wir finden denselben Effekt, der das Material piezoelektrisch macht.
Die Polarisierung kann in Richtung jeder beliebigen Fläche des Würfels erfolgen, so dass es 6 mögliche Richtungen gibt.
Polarisation
Unterhalb des Curie-Punktes:
Polarisierte Struktur, bei der das zentrale positive Atom nach oben verschoben ist, wodurch eine asymmetrische Verteilung der positiven und negativen Ladungen entsteht.
Stuktur ist piezoelektrisch.
Polarisierung von Piezokeramik
Eine Piezokeramik ist ein Konglomerat von Kristalliten, die durch eine Art Brennprozess, so genanntes Sintern, aneinander haften. Während des Abkühlens tritt die spontane Polarisation auf, Benachbarte Elemente richten sich aus und bilden so Bereiche mit paralleler Orientierung. Die Ausrichtung verleiht jedem Bereich oder Bezirk eine eigene, aber gleichmässige Polarisation. Die Richtung der Polarisation in den verschiedenen Bezirken ist völlig zufällig, so dass das Keramikelement keine Gesamtpolarisation aufweist. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die einzelnen Bezirke in einem Keramikelement auszurichten
Durch Erhitzen auf eine Temperatur nahe der Curie-Temperatur und Anlegen eines starken elektrischen Feldes richten sich die Polarisationen der einzelnen Domänen aus und "frieren" beim Abkühlen ein, auch wenn das elektrische Feld entfernt wird.
Um ein elektrisches Feld zu erzeugen, müssen wir Elektroden auf gegenüberliegenden Oberflächen anbringen und eine hohe Spannung anlegen. Die negative Spannung (= negative Ladung) auf der Oberseite zieht die positiv geladenen Zr- und Ti-Atome an und zieht sie nach oben, wodurch die einzelnen Domänen ausgerichtet werden.
Diese Behandlung wird Polarisation genannt.
Zufällige Ausrichtung verschiedener Bezirke
Polarisation in einem starken elektrischen Feld
Wenn das elektrische Feld entfernt wird, werden die meisten Polarisationen in einer nahezu ausgerichteten Konfiguration fixiert. Die Ausrichtung ist jedoch nicht vollkommen, da jeder Bereich nur bestimmte zulässige Richtungen aufweist. Das Element hat nun aber dennoch eine permanente oder remanente Polarisation und ist piezoelektrisch.
Wir verstehen nun, dass die Erwärmung eines Piezoelements über die Curie-Temperatur die Ausrichtung der Polarisation und damit den integralen Piezoeffekt des Elements zerstört.
Remanente Polarisation nach Entfernung des elektrischen Feldes