Der piezoelektrische Effekt
Der Piezo-Effekt wurde im Jahr 1880 von den Brüdern Jacques und Pierre Curie entdeckt.
Bei Experimenten mit Turmalinkristallen fanden sie heraus, dass auf den Oberflächen elektrische Ladungen erscheinen, wenn der Kristall mechanisch verformt wird. Die Grösse der elektrischen Ladung war genau proportional zu der aufgebrachten Last.
Wenn ein piezoelektrisches Material mechanisch verformt wird, verschieben sich die elektrischen Ladungen, in den Elementarzellen, und bilden ein elektrisches Feld über den gesamten Körper. Die so erzeugte Ladung kann auf den entsprechenden Oberflächen des piezoelektrischen Körpers aufgefangen werden. Dies nennt man den direkten Piezoeffekt.
Der Piezo-Effekt ist auch umkehrbar. Wenn wir eine Spannung an die selben Flächen anlegen, verformt sich der piezoelektrische Körper auf entsprechende Weise. Dieses Phänomen wird als umgekehrter (oder inverser) Piezoeffekt bezeichnet.
Wir merken uns:
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Piezoelektrische Materialien sind extrem empfindlich gegenüber mechanischer Deformation.
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Das Verhältnis zwischen Ladungsausgang und Eingangskraft ist streng linear (die Ladung folgt genau der Kraft).
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Die Ladung wird aufgrund der Deformation des Piezos erzeugt, diese Deformation ist jedoch äusserst klein.
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Die meisten Piezomaterialien sind relativ starr und in vielen Fällen mit einem Material wie z.B. Aluminium vergleichbar. In der Sprache des Ingenieurs: Ein üblicher Wert für den Elastizitätsmodul (Youngscher Modul) liegt in der Grössenordnung von 70 GPa.
Elementarladung
Um den Mechanismus in einem piezoelektrischen Material wirklich zu verstehen, müssen wir tief in die Materie eintauchen. Kehren wir also noch einmal zu den Atomen zurück. Die elektrische Ladung von einem Elektron wird als Elementarladung bezeichnet . Die Elementarladung ist eine grundlegende physikalische Konstante.
Die Elementarladung wird normalerweise als "e" für die Ladung des Protons und "- e" für das Elektron bezeichnet. Gemäss einer Konvention haben die Elektronen eine negative (minus) Ladung und die Protonen eine positive (plus) Ladung.
Die Grösse der Elementarladung beträgt e = 1.6 · 10⁻¹⁹ C (Coulomb)
(Aus dieser Perspektive ist ein pC gar nicht so klein, entspricht es doch 6,25 Millionen Elektronen.)
Elektrisches Dipolmoment
Ein elektrisches Dipolmoment p ist durch die räumliche Trennung elektrischer Ladungen gekennzeich-net. Es ist das Mass für den Abstand einer positiven Ladung +q zu seinem negativen Gegenpol –q .
Weist ein Molekül Bereiche mit elektrischen Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens auf, und fallen die Schwerpunkte der negativen Ladungen (Elektronen) und der positiven Ladungen (Protonen) nicht zusammen, so hat dieses Molekül ein elektrisches Dipolmoment p .
Die elektrische Ladung –q in einem Abstand d von einer gleichen, aber positiven Ladung +q bilden einen elektrischen Dipol p
p = q · d
p und d sind Vektoren (deshalb fett geschrieben)
d zeigt von der negativen zur positiven Ladung.
Ein bekannter elektrischer Dipol ist das Wassermolekül. Da das einzige Elektron des Wasserstoffs durch die Elektronen-Vakanz des Sauerstoffatoms angezogen wird, wird die negative Ladung des Wasserstoffs etwas in Richtung des Sauerstoffs verschoben. Dies bedeutet, dass der Wasserstoff eine positive Teilladung aufweist, während der Sauerstoff auf der anderen Seite eine negative Teilladung besitzt.
(die partiellen Ladungen sind mit δ+ und δ- dargestellt)
Wasserstoff
Sauerstoff
Piezoelektrizität auf der molekularen Ebene
Der piezoelektrische Effekt tritt bei bestimmten Kristallen oder kristallinen Materialien auf, wenn sie mechanisch deformiert werden, wodurch interne elektrische Ladungen verschoben werden und elektrische Dipolmomente bilden.
Die beiden Grundvoraussetzungen dafür, dass ein Material piezoelektrisch ist, sind, dass das Material eine kristalline Struktur mit polaren Achsen, aber ohne Symetriezentrum aufweisen muss. .
Hier ist einen bekannter Kristall, Kochsalz (Na Cl). Die Struktur solcher Kristalle wird durch Ionen gebildet, die in der Tat unterschiedliche Polaritäten haben, sie verbinden sich aufgrund ihrer gegenseitigen elektrostatischen Anziehung.
Aber warum ist Kochsalz nicht piezoelektrisch?
Das liegt daran, dass die Struktur vollkommen symmetrisch ist und jedes elektrische Dipolmoment durch das benachbarte Ionenpaar aufgehoben wird. Die Deformation eines Kristallgitters mit einem Symmetrie-zentrum verändert den Schwerpunkt der elektrischen Ladungen nicht. Daher ist es nicht piezoelektrisch.
Chlorid-Ion Cl⁻
Natrium-Ion Na⁺
Natriumchlorid Kristallgitter
Typischerweise wird eine solche Struktur durch ein Kristallgitter beschrieben, das durch eine Anzahl von Knoten, durch ein elementares Muster, definiert ist. Nur wenn ein Kristallgitter kein Symmetriezentrum hat, werden die Schwerpunkte der Ladungen durch die Deformation verschoben und es kommt zu einer sogenannten Polarisation. Die positiven und negativen Elemente werden so verschoben, dass elektrische Dipolmomente erzeugt werden. Jedes Bauelement eines piezoelektrischen Kristalls hat eine Asymmetrie, die ein elektrisches Dipolmoment bildet.
Im unbelasteten Zustand heben sich alle verbleibenden Ladungen auf und es ist keine resultierende Nettoladung zu beobachten.
Piezoelektrische Kristalle
Wenn wir in diesem Zusammenhang von Kristallen sprechen, meinen wir normalerweise einen Einkristall. D.h. ein Körper, der aus nur einem durchgehenden Kristall besteht.
Der wohl bekannteste piezoelektrische Kristall ist der Quarz. Quarz kommt in der Natur vor, aber für technische Anwendungen wird er normalerweise synthetisch hergestellt.
Natürlicher Quarz
Die chemische Formel von Quarz ist Si O2, d.h. zwei Sauerstoffatome auf ein Siliziumatom. Die Sauerstoff-atome werden versuchen, einen Tetraeder um jedes Siliziumatom zu bilden, d.h. vier Sauerstoffatome pro Siliziumatom.
In einem Quarzkristall finden wir solche Si O4-Tetraeder, aber sie alle teilen sich die Sauerstoffatome mit den benachbarten Tetraedern derart, dass die Gesamtzahl zwei Sauerstoffatome pro Siliziumatom beträgt.
In einer Si-O-Bindung werden die negativen Elektronen stärker an den Sauerstoff hin gezogen, so dass der Sauerstoff negativer und das Silizium positiver geladen ist. Eine solche Bindung wird als polar bezeichnet, und man sagt, dass Sauerstoff eine höhere Elektronegativität hat als Silizium.
Sauerstoff O
Silizium Si
Silizium-Sauerstoff Tetraeder
(Die Größe der Atome ist nicht masstabsgetreu)
Im Vergleich zu dem einfachen Salzkristall ist der Quarz wesentlich komplexer aufgebaut. Das Bild rechts zeigt den Grundbaustein des Quarzes. Er besteht aus 3 Si-O Tetraedern. Die Si-Atome im Zentrum befinden sich auf den Seitenflächen eines regelmäßigen dreieckigen Prismas. Ein gleiches Prisma auf der rechten Seite ist "leer" und dient als Platzhalter.
Die drei Si-O-Tetraeder sind jeweils um 120° gedreht und in der vertikalen Achse verschoben. Jedes ist mit einem Sauerstoffatom mit dem nächsten verbunden und bilden zusammen eine spiralförmige Struktur.
Grundbaustein von Quarz
Wenn man solche Grundeinheiten übereinander stapelt, erhält man eine ganze Reihe von Tetraedern, und der Charakter einer Wendeltreppe ist gut zu erkennen.
Die Spirale ist entlang der z-Achse des Kristalls ausgebildet. Die Drehrichtung der Spirale kann entweder nach rechts oder nach links gehen. Es handelt sich dann um einen rechts- oder linkshändigen Quarz.
Spiralförmige Anordnung eines (rechtshändigen) Quarzes
Wenn wir einige weitere der elementaren Dreiecksprismen hinzufügen und von unten, d.h. in der z-Achse des Kristalls, schauen, sieht es so aus, wie rechts dargestellt.
Wir können jetzt sehr deutlich die hexagonale Form sehen, die auch in der makroskopischen Form des Kristalls erscheint. Wir sehen auch, dass der "leere Raum" nun ausgefüllt ist und dass alle Sauerstoffatome im Inneren des Kristalls ein Siliziumatom gefunden haben, mit dem sie sich ein Elektron teilen können.
Die Sauerstoffatome an der Oberfläche des Kristalls werden normalerweise ein Wasserstoff-Atom binden.
Blick in Richtung der z-Achse. Der hexagonale Charakter in dieser Richtung ist deutlich sichtbar.
Wenn ein solches Tetraeder-Element mechanisch deformiert wird, verschiebt sich der Schwerpunkt der negativen Ladungen der Sauerstoffatome gegenüber der positiven Ladung des Siliziums und aufgrund der asymmetrischen Anordnung entsteht ein elektrisches Netto-Dipolmoment p. In der Abbildung sind die jeweiligen Ladungen in blau (-) und rot (+) dargestellt.
( Bewege den Mauszeiger über das Bild, um eine vertikale Last aufzubringen.) Die Deformation ist natürlich stark übertrieben, um den Effekt zu zeigen.
Änderung des elektrischen Dipolmoments durch mechanische Deformation
Dieses Bild zeigt ein vereinfachtes Modell einer Quarzstruktur, worin alle Si O4 Einheiten gleich orientiert sind. Jeder Punkt stellt ein Tetraeder dar, die in Sechsecken angeordnet sind. In Wirklichkeit ist die Situation, wie wir gesehen haben, weitaus komplexer. Obwohl die reale Orientierung der Tetraeder etwas anders ist, werden bei einer vertikalen Belastung alle Tetraeder mit ihrem zentralen Si-Atom nach unten gedrückt. Alle Si O4 Einheiten sind in gleicher Weise polarisiert.
Bei aufgebrachter Last können wir sehen, dass alle kleinen Dipole einer Ebene in Serie mit den Dipolen der anderen Ebenen liegen. Die negative Ladung an der Oberseite wird immer durch die positive Ladung des Dipols der nächsten Schicht aufgehoben, was bedeutet, dass die resultierenden Nettoladungen nur an der oberen und unteren Oberfläche des Körpers auftreten.
Vereinfachtes Modell einer Quarzstruktur, das die Ladungsverteilung zeigt. Blau (-) rot (+).
Beachte, dass die rosa Farbe auf die Überschneidung von Blau und Rot zurückzuführen ist.
Dies bedeutet, dass die Ladung, die wir zwischen den Oberflächen einer Quarzplatte messen, unabhängig von der Dicke der Platte ist.
Wenn wir uns jedoch die resultierende Spannung ansehen, können wir in Anbetracht aller in Reihe geschalteten internen Elemente ableiten, dass die Spannung mit der Dicke der Platte zunimmt.
Falls ich dein Interesse an Quarz geweckt haben sollte ....
Ich empfehle wärmstens
"The Quartz Page"
eine hochinteressante und umfassende Webseite von A.C. Akhavan, von dem ich viel gelernt habe
Piezoelektrische Keramik
Eine weitere Gruppe von piezoelektrischen Materialien sind die Piezokeramiken. Während Einkristalle in der Natur vorkommen oder auch künstlich hergestellt sein können, sind alle Piezokeramiken künstlich.
Einer der weltweit am häufigsten verwendeten piezoelektrischen Keramikwerkstoffe ist Blei-Zirkonat-Titanat oder PZT.
PZT ist eine Mischung aus Bleizirkonat und Bleititanat und bildet so genannte Perowskit-Kristalle
Die Grundeinheit solcher Perowskitkristalle ist ein Würfel, der mit zweiwertigen Blei-Ionen (Pb-Ionen) in den Ecken und Sauerstoff-Ionen in der Mitte jeder Fläche gebildet ist. Im Inneren dieser Struktur finden wir ein kleines, vierwertiges Metall-Ion, Titan oder Zirkonium.
Für diese Kristallstruktur existieren zwei Phasen über den Temperaturbereich. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, der sogenannten Curie-Temperatur, weist der Perowskitkristall eine einfache kubische Symmetrie auf. Er ist vollkommen symmetrisch und besitzt kein Dipolmoment
Pb ²⁺
Ti ⁴⁺ oder Zr ⁴⁺
Ö ²⁻
Oberhalb des Curie-Punktes:
Kubisches Gitter. Symmetrische Anordnung von positiven und negativen Ladungen. Kein Dipolmoment
Unterhalb der Curie-Temperatur wird der Kristallwürfel jedoch ein wenig in eine Richtung gedehnt und das vierwertige Ti oder Zr-Ion wird aus dem Zentrum herausgepresst, wodurch eine tetragonale Symmetrie und damit ein Dipolmoment entsteht. Dies geschieht von selbst und wird als spontane Polarisation bezeichnet.
Wie wir an der kubischen Anordnung sehen können, gibt es sechs mögliche Richtungen zur Bildung eines Dipolmoments.
Unterhalb des Curie-Punktes:
Tetragonales (orthorhombisches) Gitter. Die Position des zentralen positiven Metallions wird nach oben verschoben, wodurch ein elektrisches Dipolmoment p mit den Sauerstoffionen entsteht.
Polarisieren von Piezokeramik
Im Gegensatz zu einem Einkristall ist eine Keramik ein Konglomerat von Kristalliten, die durch sogenanntes Sintern verbunden werden. Angrenzende Dipole richten sich dabei untereinander aus. Gruppen von Dipolen mit paralleler Orientierung heissen Weiss-Bezirke oder Weiss-Domänen. Die Ausrichtung verleiht der Domäne ein Dipolmoment und bewirkt damit eine Nettopolarisation dieser Domäne.
Die Polarisationsrichtung in den verschiedenen Domänen ist völlig zufällig, so dass das Keramikelement keine resultierende Polarisation aufweist. Die Domänen in einem Keramikelement können jedoch ausgerichtet werden.
Durch Erwärmen bis nahe an die Curietemperatur und Anlegen eines starken elektrischen Feldes wird die spontane Polarisation der Domänen ausgerichtet. Die Ausrichtung bleibt beim Abkühlen erhalten, auch wenn das elektrische Feld entfernt wird.
Durch diesen Ausrichtungsprozess, der Polarisierung genannt wird, dehnen sich die Domänen durch das elektrische Feld etwas aus und das Element verlängert sich etwas in Richtung des Feldes.
Zufällige Ausrichtung ver-schiedener Weiss-Domänen
Polarisation in einem starken elektrischen Gleichstromfeld
Wenn das elektrische Feld entfernt wird, bleiben die meisten Dipole in einer Konfiguration der beinahe vollständigen Ausrichtung fixiert. Die Ausrichtung aller Dipolmomente ist jedoch nicht vollkommen, da jeder Berzirk nur bestimmte Richtungen zulässt. Das ganze Element hat nun aber eine bleibende, permanente Polarisation und ist piezoelektrisch.
Reemanente Polarisation nach Entfernen des elektrischen Feldes
Wir können nun verstehen, dass die Erwärmung eines Piezoelements über die Curie-Temperatur die Ausrichtung der Polarisation und damit den integralen Piezoeffekt des Elements zerstört